20241008

Ich schreib mir das jetzt hier rein, damit ich es nicht mehr vergesse: Ich kann einfach damit aufhören, Alkohol zu trinken. Ich trinke ohnehin selten Alkohol, zu Hause so gut wie gar nicht, deshalb vergesse ich immer wieder, dass ich mir auch für das Fortgehen vorgenommen hatte, damit aufzuhören. Die Gewohnheit ist stark, der Prozess sehr einfach und gut eingeübt, wo reinkommen, Bar, Bier oder Wein bestellen, erste Gespräche, und schon nach den ersten paar Schlucken wird alles weicher und lockerer, das Kommando lautet Entspannung und kann ausschlagen bis Ekstase. Die Sache ist eben, dass es bei einem Getränk nicht bleibt, die Lockerheit wird zur Unachtsamkeit, ich gehe der Kontrolle verlustig.

Und nicht mal das wäre das Problem, denn ich weiß schon, wann ich aufhören muss, bevor es völlig ausartet, das Problem ist die Nacht danach und auch der folgende Tag. Eminent schlechter Schlaf, der alternde Körper verarbeitet das Nervengift immer schlechter, am nächsten Tag zähe Müdigkeit und lästige Kopfschmerzen, nachschlafen ist trotzdem nicht, weil siehe oben, das kann sich ziehen bis zum übernächsten Tag und, simma sich ehrlich, das muss doch gar nicht sein. Wer braucht das? Ich nicht. In der Abwägung „Hurrasuperlustigtralala“ und „Oidawiegehtsdennmirichbringjagarnixzsamm“ schlägt letzteres ersteres um Längen, die Erwartungen an soziale Ereignisse und darin eingebetteten Überschwang sind ja ohnehin nicht mehr ganz so groß. Simma sich ehrlich. Also merk ich mir das jetzt und trink standardmäßig nur mehr Sachen wie Holler-Soda (letzthin eine ausgezeichnete Alternative), bei Feierlichkeiten und sonstigen besonderen Anlässen anstoßen kann ich ja weiterhin. (Und es wird sicher den ein oder anderen schwachen Moment geben, den mir eine nun mitlesende und dann anwesende Person mit einer spöttischen Bemerkung versüßen wird.)

Und sonst? „Mit sich selbst deckungsgleich sein“ schrieb jüngst Wiesenblume in dieses Internet und sofort dachte ich, „manchmal gar nicht so einfach“, ohne das sofort kommentieren oder teilen zu können. Genau das treibt mich nämlich auch gerade so um, das Gefühl, dass nichts mehr ist wie es war, dass etwas unwiderruflich zu Ende gegangen ist, diese gemütliche, aber etwas dröge Normalität, deren Einförmigkeit ich öfter beklagt habe, in der ich mich aber doch sicher fühlte. Jetzt ist wieder nichts selbstverständlich, keine Stimmung, keine Orientierung im Raum und zu mir selbst. Als würde ich alles immer zum ersten Mal machen müssen, als gäbe es wieder keine verlässlichen Pfade, die ich selbst bei Nacht ohne Licht und ohne Brille sicher gehen kann. (Wie es ja auch tatsächlich ist.)

Aber natürlich ist das auch ein wenig kokett, denn ich bin fortgeschritten alt und habe sehr viel automatisiert, bin natürlich erfahren („du hast das schon mal gemacht, meine Liebe, auch wenn du dich nicht mehr im Detail daran erinnerst, wie es war“) und die Angst schwindet, wenn ich mich schließlich in den Handlungen und Auseinandersetzungen befinde, ich agiere überlegt und sicher, im richtigen Maß, nicht zu ungestüm, nicht zu zögerlich, rücksichtsvoll gegenüber anderen Beteiligten und daher nicht zu zerstörerisch. Sowas lernt man einfach mit der Zeit. Ich lese gerade Daniel Kahneman und möchte glauben, dass mein intuitives System 1 recht zuverlässig und in gutem ruhigem Austausch mit dem rationalisierenden System 2 funktioniert.

Anders ist es mit der extern induzierten Angst, die finde ich manchmal fast überwältigend. Seit dem Wahlergebnis in meinem Kasperltheater von einem Land und mit den täglichen Kriegs- und Klimakatastrophen-Updates lauert, ich muss es zugeben, oft einmal die Panik hinter einer dünnen Papierwand und raunt kehlig in meine Richtung. Aber ich habe Übung auch in dieser Abwehr, ich habe schließlich seit 2 Jahrzehnten Kinder. Es ist ja noch gar nichts passiert.

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