But I Do Care

Das Perfide an der Sorgearbeit ist ja, dass sie gemacht werden muss. MUSS. Niemand muss Werbung machen oder Unternehmensberatung oder Angriffskrieg. Aber Sorgearbeit muss einfach sein. Menschen müssen essen und schlafen, junge Menschen müssen versorgt und beaufsichtigt werden, alte und kranke Menschen müssen betreut und gepflegt werden, Orte, wo Menschen sich aufhalten, müssen instandgehalten werden.

Sie ist also in ihrer Notwendigkeit nicht verhandelbar. Sie ist zumeist nicht aufschiebbar. Sie ist unausweichlich, denn auch auf nur mittelfristige Sicht ist es nicht nur ein bisschen Chaos, wenn sie nicht gemacht wird, sondern ein deutlicher, für alle sichtbarer Niedergang zuerst der Zivilisation und dann des menschlichen Zusammenlebens insgesamt.

Genau diese Unausweichlichkeit macht es so schwierig, darüber zu sprechen und zu verhandeln. Jahrhundertelang war es ganz einfach: Die Frauen machen das. Dafür sind sie auf der Welt. Dadurch, dass sie es machen, muss niemand drüber nachdenken oder offenlegen, im Rahmen welcher Lebensbedingungen Innovation und Fortschritt entstehen, sehr praktisch. Doch, oh, Frauen haben doch eine vergleichbare kognitive Ausstattung, sie partizipieren an Innovation und Fortschritt, müssen das sogar, wenn es sich auszahlen soll, also taucht er plötzlich doch auf - reluctantly, das KANN doch nicht das Hauptproblem sein, also ist es der Nebenwiderspruch.

Aber ich will auf der individuellen Ebene bleiben, wo man diese ganze Misere ja ständig - und ich meine wirklich jeden einzelnen fucking Tag, den der Große Geist es werden lässt, Eltern wissen, was ich meine -  aushandeln muss. Da kenn ich mich gut aus. Es gibt da mehrere Strategien:

·        Belittling

„Das bisschen Haushalt macht sich doch von selbst, sagt mein Mann“. Das Zähneknirschen von Millionen Frauen dröhnt durch die Dekaden.

·        Strategisches Nichts-Tun

Darunter leidet meist etwas oder jemand. Bestenfalls nur der Küchenboden oder die Gemütlichkeit, schlimmstenfalls das Kind oder die kranke Angehörige. Ich vermute ja, dass viel von dem, was Maternal Gatekeeping genannt wird, eigentlich das Verantwortungsgefühl einer Frau ist, wenn ein Mann bewusst oder weniger bewusst strategisches Nichts-Tun betreibt.

·        Planen

Guter Ansatz, funktioniert umso besser, je weniger prekär und zeitkritisch die Sorgearbeit ist. Vorteil ist auch, dass es Teil der Erziehung sein kann, um die Nachkommen aller Geschlechter einzuschwören. Nachteil: Jemand muss planen, antreiben, durchsetzen, kontrollieren, abnehmen. Es ist auch unfair, wenn nur eine Person, wieder meist die Frau, diese Verantwortung übernehmen muss, und bevor es den Begriff „Mental Load“ gab, war selbst dieser Fakt verdeckt.

·        Auslagern

Schule, Kindergarten, Krankenhaus, Altersheim, Reinigungspersonal zu Hause und am Arbeitsplatz, auch Gastronomie, wie viele Menschen und Institutionen gibt es dafür und OHO, wie viele davon sind (nicht erst seit der Pandemie, aber besonders seitdem) im Trudeln, erschöpft, ausgebrannt, kurz vor oder in der innerlichen wie tatsächlichen Aufkündigung? Ist das nicht interessant. Fast scheint es so, als wäre es kurzsichtig, sich blind darauf zu verlassen, dass sich da - auch unterbezahlt und überlastet - schon jemand zuständig fühlen wird!

·        Solidarisch-Sein

No geh, net des scho wieda. Vollkommen out. Sich als Teil eines Ganzen begreifen? Verantwortung für sich selbst UND die materielle und lebendige Mitwelt übernehmen? Wahrnehmen und anerkennen, dass alles, was man tut oder auch unterlässt, Auswirkungen auf andere hat? Aber wir sind doch alle so frei?

So, grad überlege ich, wie ich das hier beende, um endlich aufzustehen, aufzuhören zu theoretisieren und das Bad zu putzen, da legt sich die Katze auf meinen Schoß und schnurrt und ich bin kurz glücklich, weil es sie gibt und meine Kinder und dieses schwer sauber zu haltende, weil abgewohnte Zuhause, das ich habe. Oh. Sorgearbeit ist auch Liebe. Aber dazu vielleicht ein anderes Mal mehr.