Nachricht aus der liberalen Elite

Wie sie jetzt alle wieder die Köpfe wiegen in der liberalen Elite, in den Kommentaren, in der Ratlosigkeit. Nein, das sind nicht alles strunzdumme Verirrte, sie haben ja Sorgen, die man ernstnehmen muss, vielleicht war es ja wirklich zu viel mit der Migration. Zum Speiben, das ist unser geringstes Problem.

Die Wahrheit ist, direkt aus der liberalen Elite gesendet, weil ich bin ja ein bisschen gebildet, zumindest kann ich aus Nachrichten in den Medien ableiten, ob sie vertrauenswürdig sind oder nicht, vor allem, wenn sie sich dauernd wiederholen: Es ist einfach zu spät. Die Welt, wie wir sie kennen, ist nicht mehr. Ab jetzt wird alles nur noch schlimmer, die Hitze, die Dürren, die Flut- und Sturmkatastrophen, der Wassermangel, weniger Pflanzen, weniger Tiere, von Menschen veränderte Substanz, die alles vergiftet und umbringt. Bald werden Ernten ausfallen und nicht nur bei vernachlässigbaren Luxusnahrungsmitteln wie Oliven und Muscheln, bald kommen viel höhere Lebensmittelpreise und damit der Hunger. Nicht nur irgendwo im Subsahara-Afrika, wo es uns hier ja immer schon egal war, sondern auch in den gemäßigten Zonen. Es kündigt sich ja alles schon an. Das ist wohl ziemlich einzigartig in der Geschichte der Menschheit, dass wir so genau wissen, dass und wie es mit uns zu Ende geht. Das sind wir nicht gewöhnt, dafür gibt es keine Blaupause, vor allem, weil wir nicht mehr an Himmel oder Hölle glauben.

Also, nochmal ganz klar: Es geht bergab, selbst wenn wir jetzt aufhören, CO2 auszustoßen, wird es nicht schnell besser. Wir gehen Zeiten entgegen, die beispielloses Leid versprechen, für wohl einen Großteil der heute lebenden oder noch zu gebärenden Menschen.

Und, hear me out, ich glaube nach wie vor, dass das alle wissen. Wirklich alle. Auch die Rechtswähler*innen in allen Ländern. Sie ahnen zumindest, dass es stimmt. Wie schon vor einer Weile beschrieben, ist diese Aussage das Einzige, das man in den diversesten sozialen Zusammenhängen gleichlautend von allen Gesprächspartner*innen hört: „So wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen, das System knickt/kippt/bricht.“ Die Menschen sind ja nicht strunzdumm, vielen Dank für den Hinweis, sie leben ja auch in der wochenlangen Hitze oder pumpen ihre Keller aus nach dem Starkregenereignis. Sie wollen nur nicht zur Kenntnis nehmen, dass dieses Gefühl seinen Ursprung in den Klimaveränderungen hat und es verschiedene Strategien gäbe, dagegen anzukämpfen. Oder die besonders lang verzögerte Effektivität von Klimaschutzmaßnahmen spielt ihnen in die Hände, denn natürlich machen auch Tausende Windräder und Sonnenpaneele kurzfristig den Sommer nicht kühler und die Fluten nicht kleiner. Bringt ja eh nix. Müssen wir nur auf unsere zwei Autos und die Urlaubsflugreise verzichten, für was? Also wählen sie die, die ihnen versprechen, dass sie auf nichts verzichten müssen, dass alles so weitergeht wie bisher, dass an diesem nagenden Unwohlsein, an dieser Perspektivlosigkeit in einer sterbenden Welt die anderen schuld sind, die nicht so aussehen wie sie und eine andere Sprache sprechen.

Und währenddessen beginnt der Krieg. Die Kriege. Ideologische Stellvertreterkriege rund um diesen Grundkonflikt. Sinnlos aber folgerichtig, denn was fällt Männern anderes ein als Krieg zu führen? Hier ist es tatsächlich unvorhersehbar, wer als Erstes einen falschen Knopf drückt oder ein falsches Wort sagt und damit eine Eskalation auslöst. Aber die Chancen darauf werden mit den jüngsten Wahlergebnissen jedenfalls nicht kleiner.

Aber Mira, glaubst du das alles wirklich? Das ist ja wahnsinnig defätistisch, wie bleibst du da bitte sane in the brain? Gar nicht, mit Ablenkungen, aus Pflichtgefühl meinen Kindern gegenüber, such es dir aus. Ich dusche weiter warm, wasche Wäsche und Geschirr weiter mit Chemie, esse weiter tierische Produkte, wenn auch weniger und Bio. Ich konsumiere sogar extrem viel auf elektrische Energie angewiesene Information, produziere sie hiermit sogar selbst, aber wenigstens fahre ich nicht Auto und fliege nicht. Aber natürlich habe ich keine Lösung, weder für mich oder meine Familie noch für das Ganze. Hoffnung zu formulieren ist unter diesen Umständen fast unmöglich geworden und weil Politik vor allem das Zeichnen von Zukunftsszenarien ist, in denen es für irgendwen besser wird, kann ich verstehen, wenn sich realistisch denkende Menschen nicht mehr politisch engagieren wollen und können. Man müsste ja lügen.

Read more