Reading: Margaret Drabble - Mühlstein

Meine Lektüre zum Muttertag, zufällig. Die junge Literaturwissenschaftlerin Rosamund Stacey wird im London der frühen 60er Jahre alleinerziehende Mutter. Hilariously funny, wirklich witzig, flüssig geschrieben, ein page turner. Angenehm meine Erwartungen unterlaufend, dass es sich wieder um einen dieser Accounts handelt, die in den letzten Jahrzehnten so beliebt geworden sind: „Die Entstehung dieses kleinen Menschen hat mein Leben völlig umgekrempelt, schaut, wie ich in seinen Alltagsbedürfnissen absaufe und irgendwie überraschenderweise doch überlebe.“ Nein, Rosamund hat alles im Griff, organisiert sich eine Mitbewohnerin und eine Haushalts- und Kinderfrau, nun ja, kein Problem mit einer Gratis-5-Zimmer-Wohnung und einem selbstverdienten ausreichenden Einkommen, wessen sie sich aber durchaus bewusst ist und in dessen Rahmen sie Arztbesuche mit anderen, weniger privilegierten Müttern mehrfach als Erweckungserlebnisse thematisiert.

Nein, Hauptthema des Buches ist ihre „Britishness“, der unbedingte Wille, selbstgenügsam zu sein, niemanden zu stören, niemandem auf die Nerven zu fallen, niemanden mit dem eigenen Wohl und Wehe zu belasten. Nicht einmal den Vater des Kindes, mind you! Aus einer einzigen Begegnung entstand die kleine Octavia und der Erzeuger ist von ähnlichem Schlag wie Rosamund, die Dialoge quellen über vor Bemerkungen, die so oder so interpretierbar sind, die so unbestimmt formuliert sind, dass niemand sich der Liebe oder des Interesses sicher sein kann, es ist ein meisterhafter Eiertanz um den großen Komplex Verpflichtung und Verantwortlichkeit. Natürlich funktioniert das Sich-Raushalten und Nicht-Stellung-Beziehen nicht mehr, wenn man ein Kind hat, hätte ich ihr auch sagen können. Die Kleine wird krank und aus der zurückhaltenden, konfliktscheuen Rosamund wird eine Furie, die in der Auseinandersetzung mit dem Krankenhauspersonal rotsieht, um ihrem Kind beistehen zu können. Sie liebt die Kleine vom ersten Tag an, aber, holla, auch diese Gefühlslage wird äußerst zurückhaltend umrissen, ein Absatz, der im Wesentlichen sagt, dass diese Gefühle unbeschreiblich sind, Mütter wissen, was ich meine, höhö.

Daher auch das Ende, das mich aus biografischen Gründen fast um den Verstand bringt. Sie trifft den Vater des Kindes wieder und entscheidet sich in einer meisterhaften Eiertanz-Schlussszene, ihm nichts von seiner Vaterschaft zu erzählen. Grund sei, dass keine Liebe mehr heranreichen könne an die Liebe zu ihrem Kind. Nicht das Kind ist der Mühlstein, der Mann ist es. Alleine schon, dass das logisch völlig inkonsistent ist, wenn sie den Fratz so sehr liebt, wäre es doch wohl eine Frage der Fairness, ihr ihren Vater, den Spender der Hälfte ihrer Gene vorzustellen. Ihm gegenüber auch, er scheint kein Arschloch zu sein, er würde wohl sowieso die Szenerie verlassen, wenn es ihm zu konkret wird. Aber nein, sie will das alles für sich allein. Sie will sich nicht damit auseinandersetzen, dass da noch jemand mitspielt. Sie will nicht Rücksicht nehmen müssen. Nicht teilen müssen.

This is not feminism, werte Damen und Herren. This is utter bullshit.

Soviel zum heutigen Muttertag und der Verantwortung der Frau für die Triangulierung, die meiner Vermutung nach (ohne dass ich jetzt wirklich angelesenes Wissen darüber habe) eine der Kernverantwortungen einer weiblichen Person ist, die ein Kind zur Welt bringt und deshalb Mütter zu mächtigen Wesen macht.

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