Reading: Florian Illies – Liebe in Zeiten des Hasses

Als Ablenkung und auch irgendwie nicht las ich dieses Buch, gar nicht so einfach, denn wenn man sich wie ich irgendwann ab der Mitte entscheidet, jetzt doch immer wieder Namen und Gemälde und Lebensläufe im Internet nachzuschlagen, dauert das Lesen natürlich doppelt so lange.

Liebe also in Zeiten des Hasses, die deutsche Intelligenzija der späten 20er und frühen 30er, kulminierend mit der Machtergreifung Hitlers im Jahr 33 und der Emigration vieler, ja sicher, man könnte auch sagen, Sex, Lügen und deren Schriftzeugnisse. Die wichtigen Manns, Remarque, die Dietrich, Benn, Brecht, Weill und Lenya, Dalí und Gala, Tamara de Lempicka, Benjamin, Wittgenstein, die Fitzgeralds usw. usf. Ca. 70% des Personals war mir dem Namen und auch vereinzelt dem Werk nach bekannt, aber wer wann genau was machte, wer wen kannte und liebte natürlich nicht und auch das meisterhafte Storytelling führte dazu, dass ich es zu Ende lesen musste.

Die liberale Elite schon wieder, überaus liberal, die Ehe oft als Gütergemeinschaft und moralisch nicht mehr als ein Richtwert, offene Beziehungen und Polyamorie von Verwirklichung der Utopie bis zur mandatorischen Einrichtung, um allen das Leben vermeintlich leichter zu machen. Dann die Traumata des Exils, der Entwurzelung und Ziellosigkeit. Alkohol, Drogen. Ganz normale Menschen also. Nun, nicht ganz normal, meistens nämlich doch eher reich. Oder zumindest so vermögend, dass sie sich das Herumreisen und Kreativ- und Verliebt-Sein und das Emigrieren locker leisten konnten.

Verdienstvoll ist das Buch für mich, weil es Frauen abseits der Ikonen wie Marlene Dietrich in den Blick nimmt, sehr moderne Frauen, die heute noch auffallen und anecken würden, z.B. die Fotografin Annemarie Schwarzenbach, hier mit anderen auch bei Illies vorkommenden Frauen auf großartigen Fotos ihrer Freundin Marianne Breslauer, diese Schlaghosen, diese Frisuren, die schmalen Silhouetten, die kühle Eleganz, faszinierend.

Ganz kriegt Herr Illies den male gaze aber durch das ganze Buch hin dann doch nicht weg, dort und da gibt es wieder nur verzweifelte Frauen und Männer, die wirklich jedem Rock nachspringen, der an ihnen vorbeiläuft, ganz so wird es nicht gewesen sein. Aber natürlich unterhalten diese schlüpfrigen, allzu menschlichen Anekdoten meisterlich. Ein Eckchen Zeitgeschichte im Plauderton, wie schön. Die wirkliche Tragik der Exilant*innen kam ja auch erst mit dem Krieg und danach, das ist nicht mehr Teil des Buches. Und es bringt auch nichts, über das Hier und Heute nachzudenken und Exil in diesem Zusammenhang, denn wohin? Unsere Emigration wird erst eine innere und dann eine zeitliche sein.

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