Sich einfach mal nichts gönnen - Heilfasten 2025

Der Blog ist mir inzwischen so wichtig geworden, dass ich wusste, ich würde diese Erfahrung in Worte fassen wollen. Ich überlegte hin und her, ich verwarf ständig die Pläne in diesem Zusammenhang, ich hatte mir eigentlich vorgenommen, den Vorgang täglich zu dokumentieren, hatte Laptop und alles dabei und konnte mich dann zu nicht mehr aufraffen als ein paar Fotos zu speichern. Kein Wunder andererseits, denn ich wollte dann auch wieder nicht so viel posten, jedenfalls nicht wieder ständig darüber auf Mastodon schreiben, mich auch ein wenig von der ständigen Selbstentäußerung im Internet entwöhnen. Jetzt bin ich schon fast am Ende der experience, so viel ist wieder passiert, so viel habe ich empfunden und gedacht und ich habe es nicht festgehalten, werde vielleicht vieles wieder vergessen wie bei den letzten beiden Malen, ist das so, wenn man etwas nicht dokumentiert? Ist es dann nie passiert? Und wenn es gewesen ist, wird es doch unweigerlich vergessen? Oder schreibt es sich ein in den Körper, in das Sein als denkendes und fühlendes Wesen, als einen Stoff, der nicht nur aus Worten gewebt ist?

Nun denn, hier die Fakten

Ich war zum dritten Mal für zehn Tage zum Heilfasten in Maria Seesal, ein kleines gemütliches Fastenhaus an einem alten Pilgerweg, gleich bei einer Wallfahrtskirche, liebevoll ausgestattet und sehr persönlich geführt von den beiden zertifizierten Fastenleiterinnen Petra und Ulli. Der Ort liegt sehr abgelegen im südlichen Niederösterreich, rundherum nur sanft hügeliges Voralpenwaldland, absolute Ruhe bis auf das eine oder andere Motorsägengeräusch, das von Hang zu Hang hallt, zur Erleichterung aller Rückzugspläne gibt es nur stark eingeschränkten Handyempfang, aber natürlich WLAN.

Wir waren dort diesmal eine Gruppe von 16 Personen, wie so oft bei diesen Gelegenheiten die Frauen weitaus in der Überzahl, in diesem Turnus wurde neben dem begleiteten Fasten und regelmäßigen geführten Wanderungen auch ein Kurs in Kundalini Yoga angeboten.

Fasten bedeutet hier, dass dreimal am Tag eine kleine Mahlzeit gereicht wird, jeweils im Nährwert von ca. 120 Kalorien. Morgens ist das ein Eiweißshake oder ein Fruchtsmoothie, mittags und abends frisch zubereitete Suppen oder Mus aus allen möglichen Gemüse- und Obstsorten, hübsch angerichtet und dekoriert.

Daneben, logisch, ist man angehalten, drei bis fünf Liter täglich zu trinken, neben immer einer anderen Kräuterteesorte zu jeder Mahlzeit auch von einer ständig verfügbaren Teebar bzw. wirklich überall und immer herumstehenden Mineralwasser in zwei Prickelgraden und auch Leitungswasser aus dem hauseigenen Brunnen.

Es gibt einen fixen Tagesablauf, der morgens um 07.15 Uhr mit Kneippgüssen der Beine durch die Fastenleiterinnen beginnt, eine praktische Möglichkeit für sie, kurz das Befinden der Fastengäste abzuchecken. Um 8 Uhr wird eine erste Morgenwanderung angeboten, eine einfache Wanderroute von ca. drei Kilometer, die wirklich jede*r bewältigen kann. Um 9 Uhr folgt die Morgenmahlzeit und um 10 Uhr eine Aktivität, entweder ein Vortrag oder eben die Yoga-Einheit. Um 12 Uhr, es ist kaum zu beschreiben, wie notwendig und angenehm das ist, darf bzw. muss man schon wieder zurück ins Bett, es folgt eine zweistündige Mittagsruhe mit einem warmen Leberwickel zur Unterstützung der Entgiftung. Um 14 Uhr folgt die Mittagsmahlzeit in der beschriebenen Form und um 15 Uhr dann wieder eine Aktivität, meistens eine geführte Wanderung, natürlich wandert man entsprechend den Möglichkeiten nur maximal zwei Stunden auf einfachen Wegen, ständig auf und ab geht es hier in der hügeligen Landschaft natürlich trotzdem. Um 18 Uhr folgt dann die Abendmahlzeit und um 19 Uhr gibt es meistens noch ein Bewegungsangebot, seltener auch einen thematisch passenden Vortrag oder Film. Um 21 Uhr schließlich wird das Licht in den Gemeinschaftsräumen ausgemacht, aber die wenigsten halten überhaupt so lange durch, die meisten ziehen sich ab 20 Uhr in ihre Zimmer zurück.

Alle diese Aktivitäten sind selbstverständlich völlig freiwillig, man muss bei nichts zwangsweise mitmachen. Zum Essen kommt natürlich jede*r, aber ich habe bei meinen Aufenthalten auch schon Leute erlebt, die die ganze Zeit über bei keiner gemeinschaftlichen Gelegenheit aufgetaucht und völlig für sich geblieben sind. Auch die Mittagsruhe sollte man tunlichst einhalten, wird man doch von den Fastenbegleiterinnen höchstpersönlich mit der Wärmflasche ins Kautschuktuch eingepackt. Neben den oben beschriebenen Angeboten gibt es dann auch noch pflegende und entspannende Körpertherapien und Kosmetikanwendungen in großer Variation, die individuell zugebucht werden können.

Wie hält man das aus?

Die erste Frage von Menschen, denen ich davon erzähle (nach dem Kommentar „Ich glaube, das könnte ich nicht!“) ist naturgemäß: „Hast du da keinen Hunger?“ und die Antwort ist ein klares Jein. Da mein Körper jetzt zum dritten Mal diese Prozedur erlebt hat, stellt er mit dem ersten halben Tag Nüchternheit brav das Magenknurren ein, auf der Hinfahrt gurgelte es noch prächtig (schon der Anreisetag ist der erste Fastentag), bei der Ankunft war das vorbei. (Als Begrüßungscocktail wird ein Aufguss von Flohsamenschalen und Zeolith gereicht, der grauenhaft sandig schmeckt, aber auch entgiftend und darmreinigend wirkt, offenbar gaukelt der auch eine gewisse Füllung vor. Dieses Getränk gibt es in der Folge täglich in der Früh, eine der größten Herausforderungen für mich.) Hunger also ist relativ, wichtig dafür, dass er nicht quälend wird, sondern ein zartes Hintergrundgeräusch bleibt, ist eine gründliche Darmentleerung. Diese erfolgt am ersten Aufenthaltstag mittels der Einnahme von Glaubersalz. Ein ordentliches Stamperl mit viel Wasser sorgt bestenfalls dafür, dass wirklich alles, was der Körper nicht mehr braucht, ihn rasch verlässt, danach fühlt man sich tatsächlich befreit und bereits vergleichsweise leichter. Das Hungergefühl kommt auch deshalb nicht so stark wieder, weil man das Kauen weitestgehend einstellt. Kaugummi ist streng verpönt, die Mahlzeiten kommen in pürierter Form mit höchstens einer winzigen kaubaren Garnierung, damit man eine kleine freudige Erinnerung verspürt. Und letztlich ist es vor allem eine Frage der Verfügbarkeit und der psychischen Disposition: Es gibt sowieso nichts zu essen und Essen ist jetzt einfach nicht dran. Manchmal, etwa kurz nach dem Aufwachen, vergisst man kurz, wo man ist, und denkt sich: „Oh, der Magen ist leer, ich gehe einfach frühstücken!“ Dann die Erkenntnis, nein, ist nicht möglich. Ein bisschen schade aber ist so. Darauf einen Schluck ausgerauchtes Mineralwasser (ich mag eigentlich keine Kohlensäure und lasse das Glas immer gefüllt stehen) oder der Gang zur Teebar zum ersten von vielen täglichen Häferln Kräutertee.

Das heißt natürlich nicht, dass Fasten nicht auch körperlich schmerzhaft ist. Der Klassiker sind Kopfschmerzen bei den Kaffeetanten und -onkeln unter uns, Entzugserscheinungen, die am 2. Tag wieder vorbei sind. Schwarzer Kaffee ohne Milch und Zucker wäre zwar im Fastenregime akzeptabel und es soll Gäste geben, die mit ihrer eigenen Espressomaschine anreisen, aber ich lasse ihn weg, so unbedingt brauche ich ihn auch wieder nicht. Diesmal sehr intensiv erlebe ich eine körperliche Schwäche an den Tagen 1 - 3, beim Einführungsvortrag ins Fasten als Konzept, den ich zur Ablenkung nochmals besuche, habe ich Mühe mich wachzuhalten. Mich dann am Liegestuhl von der zum Glück scheinenden Sonne durchwärmen zu lassen ist unfassbar angenehm (die Regulierung der eigenen Körpertemperatur ist auch plötzlich nichts Selbstverständliches mehr), die Grenzen zwischen Wachsein und Schlafen verschwimmen, ich beobachte meine Träume und höre dabei den Vögeln beim Singen zu, ich schlafe in den folgenden Nächten in Etappen, aber insgesamt jedes Mal 10-12 Stunden. Tagsüber wuchte ich mich regelmäßig hoch und zwinge mich dazu, an den Wanderungen teilzunehmen, denn ich weiß auch, dass mir die frische Luft, die Bewegung und das wunderschöne Grün überall guttun.

Eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, was es bedeutet, die eigenen Grenzen zu wahren, denn wo verläuft meine persönliche Leistungsgrenze tatsächlich? Wie finde ich heraus, ob ich mich nur ein wenig vor der Herausforderung drücken will oder ob ich mich tatsächlich überfordere? Ich verhandle während dieser Tage mit mir selbst, beobachte den Wetterbericht und bin dann unendlich froh über einen Regentag, an dem ich mir schließlich erlaube, auch mal einen Tag lang weitgehend in der Waagrechten zu bleiben. Dabei hilft immens, dass es auch einen Wellnessbereich gibt, darin neben einer heißen finnischen Sauna auch eine Kräutersauna mit maximal 60 Grad, die mir nicht wie sonst binnen kürzester Zeit den Kreislauf wegkickt sondern es mir erlaubt, in einer gemütlichen Viertelstunde langsam ins Schwitzen zu kommen.

Es könnte alles so schön sein von Tag 4 an, aber ich bekomme wieder wie auch schon beim letzten Mal wirklich lästige ziehende Schmerzen im Lendenwirbelbereich, die bis in die Beine ausstrahlen. Man erklärt mir, dass sich durch den leeren Darm die Volumsverhältnisse im Becken verändern und sich dadurch auch Muskeln und Sehnen vom Iliosakralgelenk aus neu ausrichten müssen. Meine sitzende Berufstätigkeit tut sicher einiges dazu, dass ich in diesem Bereich leider recht unbeweglich bin, jetzt spüre ich besonders dorthin bei den Yoga-Übungen und nutze die zunehmende Wachheit und Energie, wieder regelmäßig in den Wald und auf Spaziergänge zu gehen. Interessanterweise spüre ich die Schmerzen in der Bewegung wenig aber dafür in Ruhe umso mehr. Am Rücken zu liegen ist nahezu unmöglich (beim mittäglichen Leberwickel wandert die Wärmflasche recht schnell auf den Rücken), auch beim Auf-der-Seite-Liegen zieht es deutlich in die Oberschenkel, und meine Lieblingsschlafposition auf dem Bauch bringt ebenfalls kaum Linderung. An drei Abenden brauche ich ein Schmerzmittel, um einschlafen zu können, dann ist zum Glück eine Fußreflexzonenmassage eingeplant und der Masseurmeister mit den magischen Händen lässt mich ein paarmal aufjaulen, wodurch die Schmerzen segensreicherweise vollständig verschwinden.

Körperlich geht es mir um Tag 6 und 7 herum also wieder ganz ausgezeichnet, dafür bekomme ich eine kleine psychische Krise, die sich in allumfassendem Grant äußert. Meine Tischgenoss*innen gehen mir auf die Nerven, was ich ihnen auch so freundlich wie möglich mitteile, sie haben vollstes Verständnis dafür, weil sie mit ihren eigenen Grantvarianten zu kämpfen haben. In den Wald gehe ich jetzt ausschließlich allein, sowohl mein small als auch mein big talk Reservoir ist vollständig aufgebraucht. Ich telefoniere mit zu Hause, es gibt Vermissungs- und sonstige Lebenskrisen beim Kind, ich frage mich, was zum Henker ich hier eigentlich mache, so gutes Essen gibt es auf der Welt und ich versage es mir absichtlich, und es dauert NOCH drei Tage, wie deppert kann man eigentlich sein, dass man sich das antut? An einem dieser Abende bin ich wieder um 20 Uhr am Zimmer und finde keine Ruhe, verspüre eine solche Wut in mir, dass ich nach einigen Stunden Herumwälzen aufspringe und mühsam ein paar Schreie zurückhalte. Kurz überlege ich, einfach den Weg vor dem Haus ein paarmal auf und ab zu rennen, dann rettet mich eine der gerade erlernten Yoga-Übungen, der Frosch, der laut der Yoga-Lehrerin tatsächlich Wut ableiten kann und, oh Wunder, genau im Lendenwirbelbereich besonders stark zu spüren ist.

Und dann, ja dann kommt es, das Fasten-High. So high ist man eigentlich gar nicht, mit einem substanzinduzierten High kaum zu vergleichen, man ist eher auf nur leicht erhöhtem Niveau wunderbar zufrieden gestimmt, verspürt eine unfassbar angenehme innere Ruhe und sanfte Fröhlichkeit. Praktisch nichts mehr kann einer was anhaben, alle künftigen Lebenspläne, die man sich ausmalt, scheinen einfach und leicht umzusetzen. Jeder Moment steht für sich und es ist so, als könnte man sich auch endlich die Zeit nehmen, ihn angemessen wertzuschätzen und auszukosten (Menschen, die gerne wie ich mit den Gedanken entweder in der Vergangenheit festhängen oder schon drei bis fünf Schritte in die Zukunft machen, werden wissen, wie störend das manchmal ist und wie einer das die Aufmerksamkeit für das Hier und Jetzt verderben kann.)

Und wie kommt man davon wieder weg?

Und in diesem gloriosen Zustand kehrt man dann nach Hause zurück, in die Unperfektheit des eigenen Lebens, in den leicht zerrupften Haushalt, in die in ihren Gewohnheiten aufgestörte und bereits in Umpolung befindliche Familie. Der Rückkunftstag ist der letzte volle Fastentag, es folgt die Besorgung und Verarbeitung von Bergen von Gemüse für das Fastenbrechsüppchen und andere leichte Gerichte. Wir wurden gut gebrieft für den Kostaufbau, es gibt einen detaillierten Plan für die über fast eine Woche reichende, vorsichtige Wiederaufnahme der normalen Verdauungsfunktionen: Kompott von ungeschälten Äpfeln für die Kaufunktion, Magerjoghurt für die Magenflora, dann ein Stück selbstgemachtes Brot (herrlich!), am nächsten Tag eine gekochte Kartoffel (himmlisch!). Das Hochgefühl hält noch ein wenig an, schwindet aber langsam und im selben Maß, wie die Verdauungsorgane sich wieder füllen. Eiweiß ist bis auf leichte Milchprodukte noch nicht Teil des Speiseplans, keine Eier, natürlich auch weder Fisch noch Fleisch. Aktuell esse ich im Übrigen auch immer noch kein Fett, erst übermorgen wird mit Mandeln und Bittersalat die Galle aufgeweckt, damit sie anschließend den fettesten Käse, den ich im Kühlregal finden konnte, zuverlässig verdauen kann, mein Highlight des Fastenbrechens, dem ich mit großer Freude entgegensehe.

Natürlich sehe ich aktuell blendend aus, die Haut ist rein und glatt, ich bin schmäler im Gesicht, ein wenig gebräunt von der Sonne, und ja, ich habe abgenommen, 5 Kilogramm weniger zeigte die Waage beim rituellen Wiegen am Morgen des letzten Fastentages. Das ist schön, war aber nicht das Ziel, denn als Strategie zum dauerhaften Abnehmen taugt das Fasten selbstverständlich nicht. Ich weiß bereits, dass ich das meiste wieder zunehmen werde, das war auch die letzten Male der Fall und stört mich nicht weiter. Was sich dauerhaft ändern soll, sind einige meiner Lebensgewohnheiten: Ich habe eine App deinstalliert, die mich leider sehr viel Lebenszeit unproduktiv vertun hat lassen und ich habe ein Ritual aufgegeben, das seine positive Wirkung schon lange verloren und sich in ein zwanghaftes Verhalten verwandelt hatte. Und wie auch schon die letzten Male wird mein Speiseplan in Zukunft wieder mehr Vielfalt bieten: möglichst viele Arten von Gemüse und Obst, Hülsenfrüchte und Getreide, dazu Nüsse und Körner verschiedenster Art, wenig Fleisch, wenig vorverarbeitete Lebensmittel, so wenig Süßigkeiten wie nur irgend möglich. Ich hoffe auch, dass ich zu meinen schon bewährten Bewegungsarten Schwimmen und Radfahren auch das Yoga neu hinzunehmen kann, es ist noch offen, ob das gelingt und sich einübt, aber ich finde es überaus faszinierend und anregend und fühle mich sehr wohl dabei es zu praktizieren, mal sehen, wie ich es in den bald wieder startenden Joballtag einbauen kann.

Fazit: Ich werde definitiv wieder fasten und ich kann es nur weiterempfehlen. Wer sich ein wenig von sich selbst distanzieren möchte, sich etwas gesunde Disruption und Rekalibrierung für das eigene körperliche und seelische Leben unter kundiger Anleitung wünscht, möge sich das Fasten mal näher ansehen. Gerade Wohlstandskrankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes bessern sich naheliegenderweise, wenn man sehr wenig isst, natürlich sollte man hier davor auch ärztlichen Rat einholen.

Ob ich es weiter als jährlichen Reset plane oder auch mal ein Jahr aussetze, entscheide ich noch, ich werde es spüren, wenn ich die Erfahrung wieder gewinnbringend verwerten kann.

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