Watching: In The Mood For Love (Wong Kar-Wai, 2000)

Ein grausamer Titel, denn ganz offensichtlich ist weit und breit niemand wirklich in Stimmung für die Liebe in diesem Film. Im Gegenteil, alle sind in Konventionen verstrickt, oder in die Melancholie und Enttäuschung, die Betrug und Unehrlichkeit hervorrufen, fast lustvoll, fast elegisch. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich den Film sah, als er herauskam und enttäuscht war. Ich war jung und hatte Lust auf die Liebe, wartete 100 Minuten lang auf den Vollzug und er kam nicht. Damals war ich noch völlig desinteressiert an den subtileren Wegen, die die Liebe gehen kann. Heute ist das selbstverständlich anders, gezwungenermaßen.

Maggie Cheung in dieser unüberschaubaren Anzahl an großartigen Etuikleidern, alle mit dem gleichen aparten Stehkrägelchen, in wunderbaren Mustern und Farben, und ihre perfekte Figur, nein, ihre unbarmherzig schlanke Silhouette! (Ich lerne, dass diese Kleider einen Namen und eine Geschichte haben und dass Wong ihnen ein Denkmal setzt in diesem Film.) Die Kamera verweilt so gerne auf ihr, wie sie die Steinstufen zum Nudelstand hinunter- oder hinaufgeht oder dort wartend steht und sich die Stirn mit einem Taschentuch abtupft, müde aber immer noch in derselben Haltung, elegantly poised, ein Bild für die innere Netzhaut, immer wieder abrufbar. Oder wie sie dasitzt, die Beine unter dem Schlitz des Kleides ordentlich übereinandergeschlagen, und in der Zeitung gebannt die neueste Fortsetzungsgeschichte liest. So makel- und schnörkellos elegant will man sein als Frau. Oder auch nicht, je nachdem ob man davon ausgeht, dass ein solches Idealbild erstrebenswert und durchzuhalten ist.

Der Mann sagt zu mir, ich hätte viele gute Eigenschaften, aber Eleganz sei keine davon. Das ist ok, er hat recht und er ist der Mensch, der mir so etwas sagen darf. Interessanterweise sind wir genau auf dem gleichen Stand wie Frau Chan und Herr Chow, eine kurze Berührung der Hände, das verhaltene Neigen des Kopfes auf die Schulter des anderen, alles Gesten, die sehr bedeutsam wirken, als stünden sie für ganze Universen von Emotionen. Wir haben eine weite Schleife gezogen und stehen nun wieder dort, ganz am Anfang und gleichzeitig ganz am Ende, und es fühlt sich gut an, im vollen Wissen um den jederzeit möglichen Umschwung, so sind wir eben. Dass die Liebe sogar solche Eventualitäten überlebt, davon hatte ich als junges Ding natürlich keinen Begriff.

Einigermaßen unheimlich sind in letzter Zeit gewisse Depersonalisationsgefühle. Als würde man sich selbst beim Leben zusehen, als sei man, ich, nicht wirklich dabei. Womöglich Selbstschutz angesichts eh scho‘ wiss’n, aber nicht das Leben das man führen sollte. Ich will Sie nicht langweilen mit dem immergleichen Wahnwitz, aber Sie wissen bestimmt, was ich meine. Jeder Moment, wo man wieder aktiv etwas ausblenden muss von den neuesten Faschismus- und Ökozid-News, um nicht zu verzweifeln, um handlungsfähig zu bleiben, kostet Kraft und dann bei allem noch dieses Gefühl: „Was regst du dich auf, uns geht’s ja eh noch gut!“ Ja, aber ab wann geht es uns nicht mehr gut? Wem geht es jetzt schon nicht mehr gut? Und wie werden wir beginnen, sie zu sehen und mitzuerleben, die Knicks und Brüche?

Es helfen nur persönliche Begegnungen wirklich. Sie senken alle hochfliegenden und -trabenden Gedanken und Prognosen wieder auf ein alltagskompatibles Niveau. Ich. Du. Hier. Wir essen, wir trinken, wir reden. Ich sehe dich, du hörst mich. Wir lachen. Wir erleben gemeinsam die Zeit und den Ort und die anderen Menschen. Wir trennen uns wieder, sehen andere Menschen und Orte und nehmen uns vor, einander davon zu erzählen. Nicht mehr als das und nicht weniger ist die Liebe, ohne die ich ziemlich verloren wäre.