Watching: The Room Next Door (Pedro Almodóvar)

Als jemand, der die Rezeptionsbedingungen immer mitbetrachtet vorweg eine Einschränkung: Ich war viel zu müde für diesen Film. Beginnzeit 22.15 h, ich muss mir langsam eingestehen, dass ich nicht mehr alles aushalte. So rutschte ich also unruhig auf dem glücklicherweise weichen Kinositz herum und suchte eine Position, um dem ziehenden Unwohlsein im Sich-Ausstrecken-Wollenden Körper zu begegnen. Erst als Tilda ging, wurde ich ruhiger, es konnte nun nicht mehr lange dauern.

Dabei ist das ein schöner Film. Erzählkino, dialoglastig. Close-Ups in die Gesichter dieser beiden schönen Frauen, diese besonderen Gesichter, dabei diese Fältchen und Unebenheiten des Alters, in den Szenen mit wenig Maske die Spuren dessen, was sie vielleicht „machen haben lassen“ (bei Julianne Moore, Tilda hat sicher nichts machen lassen, sie darf das gar nicht, zu groß das Risiko, dass auch nur eine kleine Korrektur etwas an dieser fazialen Einzigartigkeit verändert). Auch ihre Körper, die hoch aufgeschossene, schmale, schlaksige Gestalt von Swinton, der diszipliniert schlanke Körper von Moore. Um Körper geht es ja gerade bzw. um deren Versehrung durch die Krankheit. Swinton ist reflexiv und expressiv im Gesicht, aber weiß genau, dass sie das so nicht will, die Behandlungen mit immer geringeren Erfolgsaussichten, sondern ein selbstbestimmtes Sterben. If only it were so easy. Eine Freitod-Pille, heruntergeladen aus dem Darknet, nichts einfacher als das. Nun, viel Entwicklung bis zu dieser Entscheidung ist nicht nötig, alles, was sie wissen muss, ist, ob die Freundin mitmacht, die freundlich zugewandte, aber nicht zu sehr emotional involvierte Freundin, die sie braucht, um hinterher ein paar Leute anzurufen.

Das Seltsame ist, es berührt nicht besonders. Alles ist zu klar, zu ausgemacht, abgesehen von kleineren Kabbeleien zwischen den Frauen, als es ernst wird mit dem Rückzug, sind keine Gespräche nötig über die Monstrosität des Sterbens und darüber, wie ein Geist umschwenkt vom Überlebenswillen zur Bereitschaft loszulassen. Alle Emotion kondensiert im Rückgriff auf ein Zitat aus dem letzten Film von John Huston „The Dead“, ich kenne ihn nicht, vielleicht ergäbe es sonst Sinn für mich, dass pinker Schnee auf alles fällt.

Man schwelgt stattdessen im Dekor und in den Kostümen, die New Yorker Wohnungen der beiden und das architektonisch hochinteressante Haus des Ereignisses, Bauten und Ausstattung waren schwer beschäftigt damit, eine unüberschaubare Menge an schönen und geschmackvollen Einrichtungs- und sonstigen Gegenständen in den herrlichsten Farben und Formen zur Verfügung zu stellen, man weiß gar nicht, wann man alles bewundern soll und wünscht sich eine Stopptaste. Bis in die Kostüme geht das, fließend-dunkle Casual Wear kontrastiert mit kräftig monochromen Pullovern an den schmalen Frauenkörpern, bis in die Lippenstifte in den Frauengesichtern, häufig fast schwarzes Violett, dann wieder kräftiges Kirschrot.

Am interessantesten ist noch die Figur des ehemals seriell gemeinsamen Lovers, dargestellt von John Turturro mit seinem leicht verzogenen Gesicht, ein Doomer, der von Hoffnung nichts hält und deshalb ein wenig von Moores Figur ausgeschimpft wird. Wenigstens ist er hilfreich im Hintergrund, als das Ereignis eintritt und man natürlich insgesamt Freitod-bezogene rechtliche Probleme kriegt.

Ach so ja, es gibt auch was zu lachen, wie immer bei Almodóvar. Die frechen Einsprengsel, die dem Ganzen ein wenig die Tragik nehmen, das schätzt man doch. Ein wenig unfreiwillig komisch, als am Ende Swinton in der Rolle der Tochter der Protagonistin wieder aufersteht, ok, we get it, life goes on and on, aber auch dieser Handlungsstrang, diese mögliche Konfliktlösung wird nicht mehr vollständig auserzählt, natürlich, es würde sonst zu lang werden und zu tief gehen. Es unterhält, wie immer bei Almodóvar. Das ist nicht nichts, darum geht man ja ins Kino. Man muss ja nicht immer zu Tränen gerührt sein.

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